Erklärungen

Beharren wir auf den Frieden! Erklärung zum Friedens- und Demokratieaufruf von Abdullah Öcalan

Als Cênî – kurdisches Frauenbüro für Frieden haben wir die jüngsten Entwicklungen im Kontext des Friedens- und Demokratieaufrufs von Abdullah Öcalan, des Vorsitzenden und Repräsentanten der kurdischen Bewegung, mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Öcalans Aufruf ist nicht nur ein Aufruf an die PKK, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen, sobald die Bedingungen für einen Demokratisierungsprozess gegeben sind. Vor allem ist er als Aufruf an alle Teile der Zivilgesellschaft zu verstehen, gemeinsam mit demokratischen Verbündeten und mit einem gestärkten Willen den Weg des Friedens zu beschreiten.

Angesichts dieser Phase, in der der türkische Staat pausenlos Angriffe in Rojava und Südkurdistan durchführt und kurdische Oppositionelle in der Türkei zu Dutzenden verhaftet, hat der Aufruf zur Auflösung und Entwaffnung der PKK für viele Fragezeichen gesorgt. Es ist klar, dass die Türkei in der aktuellen Phase kein vertrauenswürdiger Verhandlungspartner ist, nicht aus edlen Motiven handelt und erst gewisse Schritte unternehmen muss, damit der Beginn eines Prozesses gewährleistet werden kann. Die PKK machte auch schon deutlich, dass eine Entwaffnung von heute auf morgen nicht denkbar ist, solange die repressiven und undemokratischen Zustände und vor allem die Bedingungen der Gefangenschaft Öcalans so bestehen bleiben.

Worauf wir uns jetzt besonders fokussieren müssen und was uns als Aufgabe in dieser Zeit zukommt, ist, auf den Frieden zu beharren und unsere Bemühungen für Frieden und Befreiung fortzusetzen, komme was wolle.

Der staatliche Terror in Kurdistan hat unvorstellbares Leid, Krieg und Unterdrückung hervorgebracht. Der Widerstand, den die kurdische Freiheitsbewegung seit mehr als 46 Jahren leistet, war zum einen der bewaffnete Kampf, für den unzählige Menschen ihr Leben geopfert haben und gefallen sind – wir gedenken den Gefallenen des Befreiungskampfes mit Respekt und Liebe. Auf der anderen Seite war es der Kampf der Gesellschaft, insbesondere der Frauen, die sich jedem Tag dem staatlichen Terror und den Repressionen widersetzen. Mit dem Aufruf von Rêber Abdullah Öcalan wird deutlich, dass der Gesellschaft in dieser kommenden Phase eine große Aufgabe bevorsteht.

Wir müssen in dieser Phase richtig verstehen, was unsere historische Rolle auf dem Weg zu einem Lösungsprozess ist, uns vereinen, um für Frieden zu kämpfen, und uns dabei unsere Prinzipien von Frauenbefreiung, Ökologie und Selbstbestimmung klar vor Augen führen und wahren. Diese Prinzipien sind besonders wichtig, wenn wir uns die letzten Jahrzehnte des Krieges in Kurdistan anschauen. Der Staat hat die Gesellschaft immer wieder durch Femizid, patriarchale Gewalt, Ökozid und psychologische Kriegsführung angegriffen. Als Cênî betonen wir immer wieder, dass Frauen und die Jugend die Hauptleidtragenden des Krieges sind – sie sind besonders betroffen von der Gewalt, von der Zerstörung der Natur, von der allgegenwärtigen Normalisierung von Krieg und Militarismus. Deshalb kann es keine Befreiung und keinen Frieden ohne die Beteiligung von Frauen geben. Ohne den Erfahrungsschatz der feministischen und Frauenbewegungen, ohne eine Haltung gegen Krieg, Militarismus, staatliche und patriarchale Gewalt, und ohne einen aktiven Widerstand gegen die Kriegslogik des kapitalistischen und patriarchalen Systems wird es keinen Frieden geben.

„Respekt für Identitäten, freie Selbstdarstellung und demokratische Selbstorganisation jedes einzelnen Gesellschaftsteils auf der Grundlage ihrer eigenen sozioökonomischen und politischen Strukturen sind nur durch die Existenz einer demokratischen Gesellschaft und eines politischen Raums möglich“, schreibt Rêber Apo. Eine demokratische Transformation benötigt die Mühen aller Teile der Gesellschaft.

Demokratisierung ist in diesem Kontext keineswegs im oberflächlichen, staatlichen Sinne zu verstehen. Das betonte Rêber Apo auch im Gespräch mit der Imrali-Delegation, wie die DEM-Vorsitzende Tülay Hatimoğulları berichtete: „Er betonte, dass der Kampf für Demokratie untrennbar mit der Frauenbewegung verbunden sei. Demokratisierung bedeute revolutionär zu sein. Der erste Schritt dazu sei eine freiheitliche Herangehensweise an die Frauenfrage, sagte Öcalan. Er stellte klar, dass Gleichberechtigung, Freiheit und Demokratie nur durch die Einbindung der Frauen in den gesellschaftlichen Wandel erreicht werden können.“

In diesem Sinne und mit diesem Geist rufen wir alle feministischen Bewegungen dazu auf, am 8. März und zum kurdischen Neujahrsfest Newroz am 21. März die Straßen mit ihren Appellen für Frieden und Freiheit zu füllen. Uns kommt jetzt eine historische Rolle zu – wenn wir uns vereinen, wenn wir kämpfen, können wir das System der Gewalt und des Krieges erschüttern, und eine bessere Welt schaffen, in der die Gesellschaft über sich selbst bestimmt und sich selbst organisiert.

Jin Jiyan Azadî!

05.03.2025 / Cênî – kurdisches Frauenbüro für Frieden e.V.