Erklärungen

Sara, Rojbîn und Ronahî sind unvergessen!

10 Jahre ist es her, dass ein Beauftragter des türkischen Geheimdienstes (MIT) die kurdischen Revolutionärinnen Sakine Cansiz (Sara), Leyla Saylemez (Ronahî) und Fidan Dogan (Rojbîn) in Paris ermordete. 10 Jahre nach diesem dreifachen Feminizid kämpft die kurdische Befreiungsbewegung noch immer für Aufklärung, Gerechtigkeit und Wahrheit. Weder wurden die Ermittlungen abgeschlossen, noch wurden die Verantwortlichen je zur Rechenschaft gezogen.

Kurdische Aktivist*innen sind in Europa weiterhin in Gefahr und werden zum Ziel faschistischer Angriffe. Unter anderem weil es damals schon keine Konsequenzen gab, konnte ein solcher Angriff erneut durchgeführt werden: Am 23. Dezember, nur zwei Wochen vor dem 10. Jahrestag der Ermordung unserer Genossinnen, wurde erneut ein solcher Anschlag in Paris verübt, bei dem erneut drei Personen ermordet wurden: Evîn Goyi (Emine Kara), Abdurrahman Kizil und Mîr Perwer (Mehmet Şirin Aydın). In beiden Fällen, 2013 wie heute, sprechen wir von Feminizid und patriarchalen Angriffen. In beiden Fällen wurden Frauen ermordet, die Jahre oder sogar Jahrzehnte ihres Lebens dem kurdischen Befreiungskampf und der Frauenrevolution widmeten.

Sakine Cansiz (Sara), 1958 in eine kurdisch-alevitische Familie in Dêrsim geboren, war Mitbegründerin der Arbeiterpartei Kurdistans und eine Vorreiterin im Befreiungskampf der kurdischen Frauen. Sie leistete an der Seite der Gesellschaft, in den türkischen Gefängnissen und im bewaffneten Kampf in den Bergen Widerstand und galt als eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Frauenbewegung. Leyla Saylemez (Ronahî) wurde 1989 in Mersin geboren. Ihre Familie kam ursprünglich aus der kurdischen Stadt Amed und floh in den 90er Jahren nach Deutschland, als Leyla gerade 8 Jahre alt war. Sie wurde dort in der kurdischen Jugendbewegung aktiv und organisierte insbesondere junge Frauen in der Bewegung. Fidan Dogan (Rojbîn), 1982 in eine kurdisch-alevitische Familie in Elbistan geboren, kam im Alter von 2 Jahren mit ihrer Familie nach Frankreich. Dort wurde sie später zunächst in der Jugendbewegung und dann beim Kurdistan Nationalkongress (KNK) und dem kurdischen Informationsbüro in Paris aktiv, wo sie diplomatische Arbeit machte.

Emine Kara (Evîn Goyi) war Kommandantin im Kampf gegen den IS und ein langjähriges hochrangiges Mitglied der kurdischen Freiheitsbewegung. Sie wurde beim Anschlag im Dezember 2022 als Erstes hingerichtet und es ist naheliegend, dass sie als führendes Mitglied der Bewegung und als Frau ein primäres Ziel des Anschlags gewesen ist. So betrachtet die kurdische Bewegung den Anschlag im Dezember als eine Fortsetzung des Feminizids von 2013.

10 Jahre danach sind Gewalt und Feminizide an kurdischen Frauen, sowie globale patriarchale Gewalt im Allgemeinen an einem Höhepunkt. Die Frauenrevolution in Rojava wird von der türkischen Besatzerarmee angegriffen, das iranische Regime geht insbesondere in Kurdistan brutal gegen die Revolution der Frauen vor, und Vorreiterinnen der Frauenbewegung, wie unsere Genossin Nagihan Akarsel, werden vom türkischen Geheimdienst ermordet, ohne dass es Konsequenzen gibt.

Auf globaler Ebene sehen wir neben der Neoliberalisierung und Vereinnahmung feministischer Kämpfe ein zunehmend eskalierendes Maß an Gewalt und Repressionen an Frauen und LGBTQI+, die insbesondere jene trifft, die am radikalsten gegen das menschenverachtende System des Kapitalismus kämpfen und von diesem betroffen sind.

Für uns bedeutet das: Wir müssen uns entschlossener denn je verteidigen und organisieren – gegen Invasionen, faschistische und patriarchale Angriffe, Kapitalismus und Krieg. Wir müssen den Weg weiterführen und zu Ende gehen, den unsere gefallenen Genossinnen angefangen haben und für den sie ihre Leben lassen mussten. Ihren Weg weiterzugehen bedeutet zugleich zu gedenken und zu kämpfen. Lasst uns unsere Selbstverteidigung gegen patriarchale Gewalt auf der Linie aufbauen, die gefallene Frauen wie Sakine Cansiz, Fidan Dogan, Leyla Saylemez, Nagihan Akarsel, Evîn Goyi und so viele andere uns vorgelebt haben.

Sehîd Namirin!

Jin Jiyan Azadî!

07.01.2023 – Cenî – Kurdisches Frauenbüro für Frieden