Erklärungen

Die Widerstandskultur der ezidischen Frauen lebendig halten

Das ezidische Volk ist im Laufe der Geschichte bis heute immer wieder Opfer von Völkermorden geworden und wurde aufgrund seiner Identität und seines Glaubens erbarmungslos massakriert. Ziel waren vor allem die Frauen. Während des 74. Genozids wurden ezidische Frauen vor den Augen der Weltöffentlichkeit massakriert, verschleppt und auf Sklavenmärkten verkauft. Doch durch ihren Widerstand wurden sie zu Idolen für Frauen auf der ganzen Welt. Trotz aller Angriffe haben die Frauen von Sengal 9 Jahre lang den Widerstandswillen der ezidischen Gesellschaft geformt und gestärkt. Sie widerstehen allen Angriffen und Plänen zur Zerstörung ihres Glaubens und ihrer Identität und verteidigen ihre legitimen Rechte. Wir können erkennen, dass die Ursprünge der Eziden auf die Naturgesellschaft zurückgehen und dass die Essenz der Merkmale der Naturgesellschaft in der Person der Frau trotz aller Unterdrückung und Verfolgung bis heute lebendig geblieben ist. Dies weist uns auf die Realität eines Volkes hin, das in der Person der Frau die Kultur der natürlichen Gesellschaft am Leben erhalten hat, weil sie immer noch Widerstand leistet.

Aufgrund dieser Realität markiert der 03. August 2014 nicht nur den Tag, an dem der sogenannte ‚Islamische Staat‘ (IS) gezielt die Êzid*innen in Şengal Angriff und einen bis heute andauernden Genozid verübte. Dieser Tag markiert auch den Beginn einer der größten Feminizids des 21. Jahrhunderts.

Die Terrororganisation ‚IS‘ übte insbesondere sexualisierte Gewalt gegen jesidische Frauen aus und führte den Krieg auf dem weiblichen Körper. Obwohl die genaue Bilanz dieses Feminizids nicht bekannt ist, gibt es fast 20.000 Tote und Entführte. Zusätzlich zu den Tausenden von Frauen, Kindern, alten Menschen und erwachsenen Männern, die erbarmungslos ermordet wurden, wurden mehr als 7.000 Frauen und Kinder entführt und als Sklaven auf dem Markt von Mossul verkauft.

Die Frau steht für eine tiefe Erinnerung, die nicht vergessen werden darf, für den tiefen Schmerz von fünf Jahrtausenden Unterdrückung. Die Realität eines unterdrückten Volkes, das immer versucht hat, sich von Ausbeutung zu befreien, war zweifellos durch die Gefangenschaft der erst Frau möglich. Im Laufe der Geschichte hat sich die Frau als Hüterin der sozialen Werte und im Bewusstsein ihrer natürlichen sozialen Qualitäten allen Erlassen widersetzt und sich weder der Verbannung noch der Folter, der Beleidigung oder der Vergewaltigung unterworfen. Auch der Widerstandswille von Yade Güle zum Beispiel, die sich dem ISIS nicht unterwarf, ist Teil dieser Widerstandskultur der Frauen.

Es darf nicht vergessen werden, dass die Widerstandskultur, die die Machthaber fürchten, in diesen Frauen lebendig ist.  Der Angriff der ISIS auf Frauen während des letzten Genozids war ein intolerantes Beispiel dafür. Die Bandenorganisation der ISIS hatte eine hochideologische und bewusst faschistische Mentalität, die sich der Widerstandstradition des kurdischen Volkes bewusst war. Die strategische Lage von Sengal und das Schicksal der ezidischen Frauen waren also kein Zufall.

Deshalb müssen die europäischen Staaten den Völkermord in Sengal anerkennen und eine selbstverwaltete und bestimmte Autonomie ermöglichen. Nur so kann sich Sengal vor zukünftigen Angriffen schützen. Auch wenn wir noch nicht wissen, was das schmutzige Konzept über Sengal morgen bringen wird, die Haltung der Menschen, insbesondere der ezidischen Mütter, gegen diese Völkermordmentalität, die sie nicht anerkennt, ist klar und sie werden alles tun, um diese Haltung zu verteidigen.

Deshalb muss der Völkermord in Sengal anerkannt und eine selbstverwaltete und selbstbestimmte Autonomie ermöglicht werden. Nur so kann sich Sengal vor zukünftigen Angriffen schützen. Auch wenn wir noch nicht wissen, was das schmutzige Konzept über Sengal morgen bringen wird, die Haltung der Menschen, insbesondere der ezidischen Mütter, gegen diese Völkermordmentalität, die sie nicht anerkennen, ist klar und sie werden alles tun, um diese Haltung zu verteidigen.

Erst im Januar dieses Jahres hat der Deutsche Bundestag die Ereignisse von 2014 als Völkermord anerkannt. Auch die britische Regierung schloss sich kürzlich an. Dies sind wichtige Schritte zur Anerkennung und Heilung der kollektiven Traumata der Êzid*innen. Ebenso wichtig wäre es jedoch, Şengal beim Wiederaufbau und Frieden zu unterstützen, den die kurdische Freiheitsbewegung auf den Weg gebracht hat. Denn die Menschen in Şengal werden immer wieder von türkischen Drohnen angegriffen und ermordet. Doch die deutsche Bundesregierung nimmt dazu trotz der formalen Anerkennung des Völkermordes keine Stellung.

Am 03. August erinnern wir nicht nur an diesen Genozid, sondern an die lange Verfolgungsgeschichte der Êzid*innen, die sich bis heute in jeglicher Form von Gewalt und Diskriminierung ausdrückt. Gleichzeitig erinnern wir uns an die vielen anderen Frauen in der Welt, wie in Afghanistan, im Sudan, in Abya Yala, in Afrika, die dieser männerdominierten Welt ausgesetzt sind und dennoch einen unglaublichen Kampf für Freiheit führen.

Wir verurteilen diese Gräueltaten und Verbrechen an den Êzid*innen aufs Schärfste und fordern endlich Anerkennung und Aufarbeitung  in der gesamten Region.

Der Feminizid an ezidischen Frauen ist ein Feminizid an allen Frauen, die Widerstand leisten, deshalb müssen wir uns allen Angriffen und Feminiziden entgegenstellen und die Kultur des Widerstandes der Frauen aufrechterhalten und verteidigen.

Jin Jiyan Azadî